„Madame Anglais!“ – „Englische Dame!“
Dakar, Senegal, 2009
Ich stehe an einem Tankstellen ähnlichen Gebäude mitten im senegalesischen Hinterland und brauche ein Wasser. Es ist stickig und heiß und ich brauche nur kurz eine Pause bis die Fahrt wieder zurück nach Dakar führt.
„Madame Anglais!“ Eine kreischende Gruppe Schulkinder stürzt sich auf mich. Die uniformierten Kinder strahlen aus ihren großen Augen und lächeln übers ganze Gesicht. Sie fassen mich an, hängen wie ein Pulk an mir. Und ich? Ich bin überfordert. „Soll ich ihnen was schenken?“, frage ich den Fahrer. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien zu gefährlich, daher muss ich mit einem privaten Chauffeur fahren, legte der Botschafter fest. Ich komme mir blöd vor.
„Sie freuen sich nur dich zu sehen.“ Okay. Ich lasse den Popstarrummel zu. Die Kinder scheinen wirklich glücklich zu sein, weil sie mich ANFASSEN dürfen. „Du bringst uns Glück, Tubab! Du bringst uns Glüüück“, jubeln sie und ich fühle mich schon wieder merkwürdig. Sie berühren meine Haut, ich streichle über ihr krauses Haar und da stehen wir und mir wird bewusst, dass die „große weiße Frau“, die ich in diesem Stück spiele, nichts mit der Frau zu tun hat, die ich wirklich bin.
Wieso denken diese Kinder, dass ich „aus Gold“ bin und Glück bringe? Weil ich weiß bin. Mir ist zum Heulen. Ich möchte eigentlich nur mit ihnen dort sitzen und wünschte, ich könnte wenigstens ein bisschen Wolof um zu erklären, dass sie irren. Meine Sprachlosigkeit ermüdet mich. Sie sind so herzlich, so strahlend glücklich, streichen mir über die Arme um ein wenig von meinem „Gold“ abzubekommen und ich freue mich einerseits über so viele Strahlemänner, die ja offenbar durch mein schlichtes Erscheinen glücklich sind, aber andererseits bin ich – peinlich berührt.
Meine Vorfahren haben eure Vorfahren verkauft und wie Tiere gehalten. Wisst ihr das? Wie gern würde ich eure Sprache sprechen. Und doch: wären sie noch genauso glücklich, mich zu sehen, wenn sie wüssten wieviel unsere Welten von einander trennt?